Griechenland: Die Unabhängigkeit und der neue Staat
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Griechenland

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Allgemeines & Spezielles

Der Begriff Hellene stand seit dem Spätmittelalter für Heiden. Die Griechen nannten sich bis ins 19. Jahrhundert hinein weder Griechen noch Hellenen, sondern Romeo, das heißt Römer. Dies weist auf die oströmische Identität hin.

Zu Zeiten des Osmanischen Reiches bezeichneten sich die Griechen oft einfach als Christen.

Der Osmane Mehmed II setzte nach der Eroberung von Byzanz 1453 den orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel an die Spitze seiner griechisch - christlichen Untertanen. Der Patriarch war damit einer der höchsten Würdenträger im Osmanischen Reich.

Viele Christen sahen in der muslimischen Eroberung auch Vorteile, besonders wenn sie vorher von den lateinischen (westlichen) Herrschern unterdrückt worden waren. Als Mitglieder einer Buchreligion (Islam, Judentum, Christentum) standen die Christen unter einem besonderen Schutz der Muslime. Außerdem war das Byzantinische Reich in seiner späten Zeit besonders stark von Piratenüberfällen betroffen. Die darunter leidende Bevölkerung der Küstenregionen schätzte die Kontrolle und den Frieden, die mit der osmanischen Herrschaft Einzug hielten. Auch das Osmanische Steuersystem stellte viele orthodoxe Christen anfangs besser, als sie unter byzantinischer Herrschaft gestanden hatten.

Korfu

Trotzdem war die Eroberung durch die Osmanen natürlich gewaltsam und ging mit Plünderungen und Zerstörungen einher. Im Laufe der Zeit wurde die orthodoxe Bevölkerung immer mehr zu Untertanen zweiter Klasse und sah sich manchen Diskriminierungen ausgesetzt. Unabhängig von der konkreten Benachteiligung durch Diskriminierung verhinderte diese eine Identifikation mit dem Osmanischen Staat.

Die griechisch-orthodoxe Elite jedoch hatte sich mit dem Osmanischen Reich über lange Zeit gut arrangiert. Nicht nur der Patriarch, sondern auch viele andere Mitglieder der Eliten gehörten zur Oberklasse im System der osmanischen Herrschaft. Ein Interesse an einer nationalen Einheit der Griechen und an einer Befreiung von den Osmanen hatten diese Eliten daher nicht.

Im Laufe der Zeit wurde die Führung des Osmanischen Reichs immer schwächer. Der kranke Mann am Bosporus war europaweit bekannt. Die Verwaltung verlor zunehmend an Effizienz, Steuereinnahmen wurden verpfändet und das Recht auf Steuererhebung verpachtet, und aus ehemals gefürchteten Militäreinheiten wie den Janitscharen wurden Präsentations-Soldaten, die sich auf ihren Pfründen ausruhten.

Aufgrund ihrer Verbindungen zu Mitteleuropa wurden aber viele griechische Bewohner des Osmanischen Reichs erfolgreiche Händler. Eine neue griechische Oberschicht entstand durch wirtschaftlichen Erfolg. Das Interesse an der nationalen Idee nahm zu, zumal sich die russischen Zaren zunehmend als Schutzmacht der griechisch-orthodoxen Einwohner des Osmanischen Reichs präsentierten.

Im Vorfeld der Unabhängigkeit Griechenlands sollte man beachten, dass es so etwas wie ein geographisch definiertes griechisches Territorium nicht gab. Die griechische Bevölkerung war innerhalb des Osmanischen Reiches weit verteilt, es gab viele Diaspora-Gemeinden außerhalb des späteren Griechenland und auch viele griechische Siedlungsgebiete oder Stadtteile außerhalb des Osmanischen Reiches.

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Die Unabhängigkeit

Der Unabhängigkeitskampf der Griechen begann 1821 mit einigen militärischen Erfolgen der Aufständischen. Sehr schnell traten aber auch widerstrebende Interessen auf, die sogar zu Bürgerkriegen zwischen den Separatistengruppen führen sollten. Die Osmanen konnten nach anfänglichen Niederlagen bald wieder militärische Erfolge erzielen.

Die anhaltenden Aufstandsbewegungen in Griechenland führten aber dazu, das vor allem die Großmächte England, Frankreich und Russland sich der Unabhängigkeit der Griechen annahmen. Diese drei Mächte hatten durchaus ein strategisches Interesse an einem neuen Griechenland. Die Osmanen verloren als Ordnungsmacht im östlichen Mittelmeer immer weiter an Bedeutung. Ein christliches Protektorat an der Südostflanke Europas war zuerst im Interesse aller drei Mächte, wobei anfangs ungeklärt war, ob Russland oder England und Frankreich den größeren Einfluss erlangen sollten.

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Russland wollte vor allem seinen eigenen Einfluss auf den Balkan ausdehnen und stützte zeitweise auch wieder das Osmanische Reich, um die Vorherrschaft der Engländer dort zu verhindern.

Nach dem chaotischen Anfang der griechischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit wechselnden Parlamenten, Bürgerkriegen und Interessenskämpfen übernahmen die europäischen Mächte den Prozess. Aus einer anfangs angestrebten Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches wurde bald die Forderung nach einem souveränen griechischen Staat.

Der junge Staat

Eine Monarchie wurde 1832 implantiert, und als König suchten die Großmächte sich Otto von Wittelsbach aus. Der verfügte als Sohn König Ludwigs I von Bayern (1786 - 1868) über die nötige Neutralität zwischen den Großmächten. Gleichzeitig war Bayern zu schwach, um eigene Interessen im neuen Griechenland zu verfolgen. Die Wahl fiel auch deshalb auf Otto, weil sein Vater Ludwig zu den führenden Köpfen der Philhellenischen Bewegung in Europa gehörte, die die griechische Sache - oft aus historisch-romantischen Gründen - unterstützte. Aus Begeisterung für das antike Griechenland träumten diese Aktivisten von einer Wiederauferstehung des antiken Hellas. Unterstützer fanden sie mit dieser Idee bei den griechischen Bildungseliten. Folgerichtig wurde 1833 beschlossen, die Hauptstadt Griechenlands von Naphplion auf der Peloponnes nach Athen zu verlegen, das damals in Ruinen lag und kaum bewohnt war.

Dem noch minderjährigen Otto wurden drei fähige Fachleute zur Seite gestellt, die die Grundlagen des griechischen Staates in vielerlei Hinsicht gestalteten und zum Teil bis heute prägen. Unterstützt wurden sie dabei finanziell von den drei genannten Großmächten England, Frankreich und Russland.

Trotz der Einrichtung einer fähigen Regierung und der finanziellen Unterstützung war der Beginn des griechischen Staates mit schwierigen Verhältnissen verknüpft. Die Vergangenheit als Provinz im Osmanischen Reich, widerstreitende Interessen innerhalb der Bevölkerung, über zehn Jahre Bürgerkrieg und in dessen Folge ein Schrumpfen der nur eine Million Einwohner starken Bevölkerung aufgrund von Abwanderungen waren keine guten Voraussetzungen für einen prosperierenden Staat.

Tausende beschäftigungslose Kriegsveteranen stellten ein weiteres Problem dar. Da die neu gegründete Polizei und das Militär nur einen Teil dieser Kämpfer aufnehmen konnte, verlegten sich viele andere auf Räubereien in den unzugänglichen Gebirgen Griechenlands.

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Reformen in der Landwirtschaft scheiterten am hartnäckigen Widerstand der griechischen Grundbesitzer. Ein großes Entwicklungspotential sahen die Regierenden aber im Seehandel, der von staatlichen Maßnahmen massiv unterstützt wurde.

Weitere Probleme bestanden darin, dass drei widerstrebende starke Parteien, die auch schon in den Bürgerkriegen gegeneinander gekämpft hatten, jeweils unterschiedliche Interessen verfolgten. Die einen, die sich englische Partei nannten (ohne konkret von England unterstützt zu werden), legten den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf den Ausbau einer bürgerlichen Gesellschaft innerhalb Griechenlands. Die, die sich französische Parteien nannten, sahen das bisher erreichte Griechenland nur als Ausgangspunkt für weitere Gebietsausdehnungen im Norden und konzentrierten ihre Aktivitäten darauf. Die dritte Partei, die sog. russische, bestand aus häufig von Grundbesitzern geführten Kräften, die konservativ-religiös geprägt waren.

Nachdem die "bayerische" Regierung die Unabhängigkeit der griechisch-orthodoxen Kirche vom Patriarchat von Konstantinopel verfügt hatte, sah die russische Partei im katholischen König, der nun faktisch Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche war, auch einen religiösen Widersacher. Für sie war die Zugehörigkeit zur Patriarchat Konstantinopel bindend.

1844 wurde Otto durch Aufstände gezwungen, ein parlamentarisches System einzurichten. Trotzdem konnte Otto sein autokratisches Regieren immer wieder auch mit Hilfe einheimischer Politiker de facto fortführen.

Der griechische Staat bestand damals nur aus der Peloponnes, Mittelgriechenland und den Kykladen sowie den nördlichen Sporaden. Nach Ansicht vieler griechischer Zeitgenossen gehörten aber auch Teile Kleinasiens mit griechischer Bevölkerung, die von England besetzten Ionischen Inseln, Teile des südlichen Balkans und die europäische Türkei mit in den neuen Staat.

Andere Nationalisten träumten von einer Hellenisierung des Osmanischen Staats von innen heraus. Das reformierte Gebilde wäre dann eine logische Nachfolge des byzantinischen Reiches.

Gemeinsam war den nationalistischen Ideen, dass man den neuen griechischen Staat als Fortsetzung der griechischen Antike und des byzantinischen Reiches sah, in dem alle griechisch-orthodoxen Christen samt der wichtigen Städte Konstantinopel, Smyrna und Thessaloniki vereint wären. Gleichzeitig wurde der existierende griechische Staat nur als Vorstufe betrachtet, was die Identifikation mit ihm und den Einsatz für seine Belange untergrub.

Zu der Zeit lebte etwa nur ein Fünftel der "griechischen" orthodoxen Bevölkerung innerhalb des griechischen Staates. Eine Million lebte in Griechenland, 4 Millionen außerhalb.

Nach dem Krimkrieg, in dessen Ausgang die griechischen Nationalisten große Hoffnungen gesetzt hatten, sank das Ansehen Ottos bei seinen Bürgern noch weiter. 1862 wurde er durch einen Putsch der Offiziere als König abgesetzt.

In dem anschließenden Machtvakuum kam es wieder zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. in dieser Phase strebten zwei Parteien nach der Vorherrschaft. Die eine befürwortete ein parlamentarisch-demokratisches System, die andere ein autoritäres Herrschaftsbild.

Nach der Intervention der Schutzmächte wurde eine neue Verfassung entworfen und der dänische Prinz Wilhelm von Sonderburg-Glücksburg zum konstitutionellen König Georg gewählt. Er bezeichnete sich nicht mehr wie Otto als König von Griechenland, sondern als König der Hellenen. Damit wurde der Einfluss des Volkes auf die Regierung unterstrichen, aber auch der Anspruch auf die von Griechen bewohnten Gebiete außerhalb des griechischen Staates.

Literatur

Kleine Geschichte Griechenlands: Von der Staatsgründung bis heute.

Mehr Literatur siehe > Griechenland Geschichte